Herrliche Zeiten by Leithold Norbert

Herrliche Zeiten by Leithold Norbert

Autor:Leithold, Norbert
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Deutsche Verlags-Anstalt
veröffentlicht: 2013-11-10T16:00:00+00:00


EIN FESTE BURG IST UNSER GOTT

Ende April 50 kutschiert Fritz Penkuhn zum ersten Mal mit Regina nach Stralsund. Er braucht einen neuen Destillierkolben und will Bezugsscheine für zehn Meter Aluminiumdachrinne einlösen. Bürgermeister Lötzsch hat ihm auch einen Auftrag mitgegeben, er wünscht statt des Volksempfängers im Gastraum ein: Radschogeräd von Ärefdee, das er selbst wegen der Vorbereitungen zur Maifeier nicht mehr besorgen konnte.

Radschogeräd von Ärefdee, singt Regina auf dem Kutschbock, auf der Anhöhe, wo die Windmühle stand, im Hohlweg, der gesäumt ist von Kopfweiden bis hin zur Landstraße.

Da sagt Fritz: Nu is ma gaud, und nur noch das Hufklappern ist zu hören, bis aus der Silhouette von Stralsund richtige Häuser werden und Kirchen mit riesigen Türmen, die es in Lanzerow nicht gibt. Regina hüpft vor Aufregung, und Fritz sagt wieder: Is nu gaud?

Vom Maibaum auf dem Marktplatz wehen bunte Bänder, die Regina haben möchte. In der Platzmitte zimmern Handwerker die Tribüne aus guten Kanthölzern, die Fritz gern hätte.

Mädchen in weißen Blusen und blauen Röcken kommen ihnen entgegen, angeführt von Volkspolizisten, die ihnen den Weg weisen, den sie am 1. Mai beim Vorbeimarsch an der Tribüne nehmen müssen. Sie schwingen Schilder: »Wir Jungen Pioniere lieben unsere Deutsche Demokratische Republik« – »Wir Jungen Pioniere lieben unsere Eltern«.

Fritz kann nur mit Mühe seine beiden Pferde ruhig halten, an der Ecke zur Ossenreyerstraße scheuen die Tiere vor Schaufensterpuppen, von Frauen auf einen Hänger geladen, und den ziert das Schriftband: »Der neue Mensch trägt Kleidung aus dem HO-Warenhaus.«

Fritz führt seine Pferde am Zaumzeug bis in die Hauptstraße. Über dem Eingang des Kaufhauses, wo er letzte Woche noch »Wertheim« gelesen hat, hängt ein riesiges Schild: »Lernt von Lenin und Stalin, wie man arbeitet, kämpft und siegt!« Er kutschiert weiter in das Viertel hinter der Hauptstraße mit den grauen, niedrigen Häusern und den vielen Kriegsruinen.

Die Kreisbauverwaltung ist geschlossen, doch Fritz klopft so lange an Türen und Scheiben, bis ihm jemand im Anzug öffnet. Er nimmt seine speckige Schirmmütze ab und hält den von Lötzsch ausgestellten Bezugsschein für zehn laufende Meter Dachrinne, neu, zwei Waschbecken, weiß, neu, und zwei Sack Zement hin, der hier abgestempelt werden muss, um das Gewünschte auf dem genossenschaftlichen Bauhof ausgehändigt zu bekommen.

Auf dem Bauhof trifft Fritz nur den Platzwart an, der, Pfeife rauchend, an seinem Wohnwagen sitzt, während sein Schäferhund am wackligen Tor bellt, dass Regina sich hinter Fritz versteckt. Der zeigt seinen abgestempelten Bezugsschein, woraufhin der Platzwart sagt, dass heute und morgen nichts mehr passiert. Fritz holt seine Flasche Apfelschnaps aus dem Jackett: Übermorgen?

Der is gut, sagt der Platzwart.

Gut, sagt er nach dem nächsten Schluck aus der Flasche, lässt sich den Bezugsschein zeigen und liest laut die genehmigten Positionen vor: Siedlerhaus, Typ eins oder zwei?

Eins, sagt Fritz.

Dacht ich mir. Der Platzwart trinkt wieder und kettet das Tor auf: Mit Typ eins gibts nur Ärger.

Die Baumaterialien liegen unter Schleppdächern und in Buchten sortiert. Der Platzwart gibt Fritz zehn Stück Dachrinne: Ist das für dein Haus?

Weil Fritz nickt, legt der Platzwart noch zwei dazu, dann geht er vorbei an Dachpfannen, Dachluken, Dachausstiegen und Blitzableitern zur Abteilung Sanitär, Fritz mit den Pferden und dem Wagen hinterher.



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